Informationen zur alternativen Konfliktbeilegung

Unter dem Begriff ADR (Alternative Dispute Resolution) hat sich in den letzten Jahrzehnten weltweit die Tendenz durchgesetzt, Konflikte in größtmöglichem Umfang durch selbstbestimmte Verhandlungslösungen anstatt durch hoheitliche Gerichtsentscheidungen beizulegen. Die Vorteile (schnelle Lösungen, geringere Kosten, Berücksichtigung individueller Interessen, Schonung von Beziehungen, Nachhaltigkeit usw.) liegen auf der Hand.

In Deutschland ist diese Entwicklung relativ spät angekommen, was auf eine stark am Anspruchsdenken orientierte Rechtskultur und ein gut ausgebautes Justizsystem zurückzuführen sein dürfte. Die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten gehört zudem nach deutschem Rechtsverständnis seit jeher zu den Aufgaben des Richters; vermittelnde Lösungen wurden und werden daher in großem Umfang im gerichtlichen Verfahren gesucht. Nur in Einzelbereichen und in bescheidenem Umfang konnten sich Schieds- und Schlichtungsverfahren etablieren.

Erst seit Mitte der 1990er-Jahre finden auch in Deutschland die außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren verstärkte Beachtung. Insbesondere in familienrechtlichen Konflikten wurde das aus den USA importierte, klar strukturierte und in höchstem Maße auf Eigenverantwortung bauende Mediationsverfahren als vorzugswürdige Alternative zum Prozess erkannt. Es entwickelte sich rasch ein großes Angebot an Mediationsanbietern, dem jedoch keine entsprechende Nachfrage folgte. Gegen den institutionalisierten und staatlich subventionierten Rechtsweg konnte sich die auf Eigeninitiative und Eigenfinanzierung angewiesene Mediation nur   schwer durchsetzen.

Im Bereich der Wirtschaft führten steigender Kostendruck und zunehmende Internationalisierung zu einem nachhaltigeren Interesse an außergerichtlichen Konfliktbeilegungsmethoden. Insbesondere die Großunternehmen machen in erheblichem Umfang davon Gebrauch, wobei bilaterale Verhandlungen und evaluative Methoden wie Schlichtung und Schiedsgutachten im Vordergrund stehen. Im innerbetrieblichen Konfliktmanagement  finden Mediation, Coaching und Supervision Anwendung.

Für Streitigkeiten mit Verbrauchern haben wichtige Branchen, insbesondere die Geld- und Versicherungswirtschaft, sog. Ombudsstellen eingerichtet, an deren Bewertung von Verbraucherbeschwerden sie sich in gewissem Umfang gebunden halten.

Im Bereich der freien Berufe wurden ebenfalls Institutionen geschaffen, die durch eine neutrale, sachkundige Bewertung des Streitfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung verhindern sollen, so bei der Bundesrechtsanwaltskammer und bei den Ärztekammern.

Insgesamt bietet die außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland nach wie vor ein bunt geschecktes, intransparentes und inkohärentes Bild. Im Gegensatz zur Justiz ist dieser Bereich kaum gesetzlich geregelt. Es bestehen lediglich punktuelle Regelungen, etwa zur Schlichtung im Flugverkehr oder bei Streitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Das am 26. Juli 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Mediation und anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung enthält lediglich Vorschriften für die Tätigkeit als Mediator, leistet aber keinen Beitrag zur stärkeren Nutzung der Mediation; die anderen Verfahren bleiben völlig ungeregelt. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz v. 19.2.2016 verpflichtet lediglich zur Information über das dort geregelte Verfahren, nicht zu seiner Nutzung.

Seitens der EU gab es zwar Bestrebungen zur Vereinheitlichung der außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung. Diese erfassen jedoch ebenfalls nur Teilbereiche (wie z.B. die grenzüberschreitende Mediation oder die Schlichtung von Verbraucherstreitigkeiten) und lassen selbst dort den Mitgliedsstaaten weite Regelungsspielräume. Während z.B. in Italien ein Mediationsversuch vor Klageerhebung bei vielen zivilrechtlichen Konflikten obligatorisch ist, bauen andere Mitgliedsstaaten voll auf die Freiwilligkeit der Parteien.

Als Wegweiser durch das Dickicht der außergerichtlichen Streitbeilegung werden nachstehend einige Grundinformationen zu den verschiedenen Methoden gegeben.

Stets aktualisierte Informationen zur Rechtslage bei der außergerichtlichen Streitbeilegung bietet das Schlichtungs-Forum.

Zu Informationen über die einvernehmliche Streitbeilegung im gerichtlichen Verfahren (Güterichter, gerichtsnahe Mediation) s. http://www.gueterichter-forum.de.

Einen umfassenden und aktuellen Überblick über den Stand der ADR in den wichtigsten Rechtsordnungen der Welt bietet der im September 2013 erschienene Sammelband Regulating Dispute Resolution – ADR and Access to Justice at the Crossroads (Edited by Felix Steffek and Hannes Unberath in cooperation with Hazel Genn, Reinhard Greger and Carrie Menkel-Meadow). Die von den Autoren daraus entwickelten allgemeinen Prinzipien zur Regelung der ADR sind mit freundlicher Genehmigung von Hart Publishing auf den Forschungsseiten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg veröffentlicht.