Horst Eylmann (Stade), Rechtsanwalt und Notar: Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags am 6.12.2000

I. Die Reform des Zivilprozesses ist notwendig

Der gegenwärtig praktizierte Zivilprozeß vor dem Amtsgericht ist nicht bürgerfreundlich, weil

  • er seit Jahren zunehmend schriftlich abläuft,
  • viel zu selten die Parteien selbst angehört werden,
  • die mündliche Verhandlung häufig zu spät und unzureichend vorbereitet wird,
  • dadurch unnötige Neuterminierungen mit der Konsequenz einer Prozeßverzögerung erfolgen,
  • von den Richtern zu wenig auf eine gütliche Einigung hingewirkt wird und
  • den überlasteten Richtern häufig zu wenig Zeit für eine gründliche Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung steht.

Diese Mängel sind um so bedauerlicher, als die Bürger am häufigsten mit dem Amtsgericht in Berührung kommen und sich dort ihr Eindruck von der deutschen Justiz bildet.

Der Zivilprozeß vor dem Landgericht leidet weitgehend unter denselben Mängeln. Hier kommt noch hinzu, daß sich das Nebeneinander von Kammer und Einzelrichter nicht bewährt hat und zu einer Vergeudung der kostbaren Ressource Richterkraft führt: Der Richter am Landgericht erledigt im Durchschnitt nur etwa ¼ der Prozesse, die der Richter am Amtsgericht bewältigt.

Die Reform ist deshalb schwierig, weil sie angesichts der angespannten Haushaltslage der Länder kostenneutral durchgeführt werden muß und die beim Amtsgericht zur Beseitigung der genannten Mängel erforderlichen Richter nicht zusätzlich eingestellt werden können. Sie müssen also in anderen Bereichen der Justiz eingespart werden. Das sollte auch möglich sein, denn schließlich hat die Bundesrepublik europaweit, wahrscheinlich sogar weltweit die höchste Richterdichte. Jede Reform und auch jede Reformkritik, die diese Notwendigkeiten nicht erkennt und berücksichtigt, bewegt sich in realitätsfernen Sphären.

II. Der Einzelrichter ist die angemessene Besetzung der erstinstanzlichen Richterbank

Seit den 70er Jahren sind die erstinstanzlichen Zivilprozesse zunehmend auf den Einzelrichter verlagert worden

  • durch die sukzessive Anhebung der Streitwertgrenzen und die damit verbundene Verlagerung eines erheblichen Teils der Zivilprozesse auf die Amtsgerichte,
  • durch die Einrichtung der Familiengerichte bei den Amtsgerichten und durch die erweiterten Möglichkeiten der Zivilkammern, den Prozeß einem Einzelrichter zuzuweisen.

Zur Zeit werden ca. 86 % aller Zivilprozesse durch den Einzelrichter entschieden. Die mit ihm gesammelten Erfahrungen und rechtstatsächlichen Erkenntnisse sind wertvoller als alle theoretischen Bedenken. Bei einem Vergleich zwischen Kammer und Einzelrichter finden sich nach Erledigungsquantum, Schnelligkeit sowie nach Vergleichs-, Berufungs- und Berufungserfolgsquote keine signifikanten Unterschiede. Wichtig ist vor allem, daß die Urteile der Einzelrichter auf keine geringere Akzeptanz stoßen und auch nicht häufiger aufgehoben werden als Kammerurteile. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe sehen deshalb mit Recht eine Ausweitung des Einzelrichtereinsatzes vor. Ihre Realisierung würde die Quote der zivilgerichtlichen Einzelrichterurteile auf über 90 % ansteigen lassen. Es wäre deshalb eine bessere und konsequentere Lösung, nicht beim vorletzten Schritt stehen zu bleiben, sondern den Einzelrichter generell in der ersten Instanz vorzusehen. Wenn schon jetzt in einigen Bundesländern die Quote der Einzelrichterentscheidungen beim Landgericht weit über 50 % liegt, ohne daß sich ein Qualitätsabfall der landgerichtlichen Rechtsprechung feststellen läßt, ist es folgerichtiger, das Kammerprinzip beim Landgericht völlig aufzugeben und allenfalls noch für besonders komplizierte Rechtsmaterien die Bildung von Kammern zuzulassen. Damit würde auch den in der Vergangenheit häufig zu beobachtenden Versuchen vorgebeugt, den auf einen vermehrten Einsatz von Einzelrichtern gerichteten Willen des Gesetzgebers zu mißachten.

Alle gegen einen vermehrten Einsatz des Einzelrichters vorgebrachten Einwendungen schlagen nicht durch:

  • Das vielbeschworene Sechs-Augen-Prinzip ist rechtstheoretisch sicher richtig, führt aber in seinen praktischen Auswirkungen – und diese sind entscheidend – nicht zu einer höheren Qualität und Akzeptanz der Einzelrichterentscheidungen gegenüber den Kammerurteilen. Angesichts des heftigen Widerstandes aus der Richterschaft darf daran erinnert werden, daß der Gesamtvorstand des Deutschen Richterbundes schon 1965 die Abschaffung der Kammer im ersten Rechtszug verlangt hat.
  • Die Ausbildungsfunktion der Zivilkammern hat schon in den letzten Jahren weitgehend abgenommen und wird bei der mit Sicherheit zu erwartenden Vergrößerung der Einzelrichterquote allmählich gegen Null tendieren. Bezeichnend ist, daß man die jungen Richterinnen und Richter nach ihrer Einstellung zunehmend nicht den Kammern zuweist, sondern sie sofort als Einzelrichter bei den Amtsgerichten einsetzt. Dort werden sie gleichsam ins Wasser geworfen, um schwimmen zu lernen. Im übrigen sollte man ein Kammersystem, das sich als wenig effizient erwiesen hat, nicht nur zur Ausbildung des Richternachwuchses aufrechterhalten, wenn man nicht zuvor andere Formen der Ausbildung, z.B. eine richterliche Assistenzzeit, entwickelt und erprobt hat.
  • Der – manchmal hinter vorgehaltener Hand, in letzter Zeit aber auch öffentlich erhobene – Einwand, nicht alle Kammerbeisitzer seien als Einzelrichter geeignet, kann im Einzelfall begründet sein, sollte aber doch wohl nicht dazu führen, die Zivilkammer als Auffangbecken schwacher Richter zu erhalten. Wenn die Zahl der betroffenen Richter zahlenmäßig von Belang ist, hätte dies der Justiz schon längst Veranlassung geben müssen, junge Richterinnen und Richter nicht nur nach ihrer Examensnote einzustellen, sondern auch andere Kriterien zu prüfen und zu berücksichtigen, z.B. Erfahrungen in anderen juristischen Berufen, Persönlichkeitsstruktur, Artikulationsfähigkeit und soziale Kompetenz. Auch hätte es nahe gelegen, Richterinnen und Richter während ihrer Probezeit sorgfältiger zu beobachten und kritischer zu beurteilen, als es heute weithin der Fall ist.

III. Erweiterte richterliche Hinweispflichten und ein obligatorischer Sühneversuch stärken die 1. Instanz

Wer sich zum Ziel setzt, in der ersten Instanz die Aufklärung des Sachverhalts und dessen rechtliche Durchdringung zu verbessern, um ein Berufungsverfahren überflüssig zu machen, muß zwingend die materielle Prozeßleitung des Gerichts stärken und dafür sorgen, daß rechtzeitig das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite erörtert wird. Werden die notwendigen Hinweise nicht gegeben, führt dies in der Regel zu einem Überraschungsurteil. Solche Urteile sind die wichtigste Quelle für Berufungen. Es reicht aber nicht aus, das Gericht zu verpflichten, erst in der mündlichen Verhandlung auf Gesichtspunkte hinzuweisen, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Diese Hinweise müssen rechtzeitig vorher erfolgen, damit die Parteien die Möglichkeit haben, schon vor der mündlichen Verhandlung darauf einzugehen. Eine nennenswerte Mehrbelastung für das Gericht ist damit nicht verbunden. Die Richter werden nur gezwungen, das, was sie ohnehin tun müssen, nämlich den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und rechtlich zu beurteilen, zeitlich vorzuziehen. Viele Termine ließen sich vermeiden oder fruchtbringender gestalten, wenn das Gericht die gem. § 139 ZPO notwendigen Hinweise rechtzeitig in knapper schriftlicher Form mitteilen würde. Es erscheint deshalb notwendig, § 139 ZPO durch eine entsprechende fristgebundene Verpflichtung des Gerichts zu ergänzen.

Der obligatorische Sühneversuch ist zu begrüßen. Die Vergleichsquoten beim Amtsgericht und beim Landgericht (1998 9 % bzw. 16 %) sind zu niedrig. Zwar erfüllen nicht wenige Richter ihre sich schon jetzt aus § 279 Abs. 1 ZPO ergebene Verpflichtung, in jedem Stadium des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Mindestens ebenso viele Richter bemühen sich aber nicht in angemessener Weise um einen Vergleich, sei es aus Zeitnot, sei es, weil sie der Verwirklichung der „materiellen Gerichtigkeit“ durch Urteilsfällung den Vorrang einräumen und die friedensstiftende Wirkung des Vergleichs verkennen.

IV. Über Berufungen darf kein Einzelrichter entscheiden

Beide Gesetzesentwürfe sehen vor, daß in der Berufungsinstanz die Entscheidung (also nicht nur wie bisher gem. § 524 ZPO die Vorbereitung der Entscheidung) dem Einzelrichter übertragen werden kann. Dies kann nur mittragen, wer den hierarchischen Aufbau unserer Justiz so verinnerlicht hat, daß er die Berufungsentscheidung schon deshalb für gerechter hält, weil sie von einem Richter gefällt wird, der in der Stufenfolge der Gerichte über dem Richter der ersten Instanz steht. In Wahrheit gibt es allerdings in der Lebenswirklichkeit nicht die geringste Gewähr dafür, daß der Einzelrichter beim Berufungsgericht über ein höheres Maß an Kompetenz und Erfahrung verfügt als der Einzelrichter im ersten Rechtszug. Wer ihm dennoch zutraut, mit seiner Entscheidung der materiellen Gerechtigkeit näher als der Vorderrichter zu kommen, müßte auch der Meinung sein, dem zweiten Koch müßte das gleiche Gericht trotz abgestandener Zutaten auf jeden Fall besser gelingen als dem ersten. Im Strafprozeß hält man es inzwischen für einen korrekturbedürftigen Mißgriff, die Kleine Strafkammer über Berufungen gegen Urteile des Schöffengerichts entscheiden zu lassen. Es ist unverständlich, daß im Zivilprozeß jetzt dieser Fehler wiederholt werden soll.

V. Die Beschränkung der Berufung auf Fehlerkontrolle ist grundsätzlich richtig, aber nicht jetzt und nicht so

Unter der Voraussetzung, daß gem. den Ausführungen unter II. in der ersten Instanz grundsätzlich der Einzelrichter entscheidet, spricht viel dafür, eine Reform des Berufungsverfahrens zurückzustellen. Die Hoffnung, die Reform würde bei den Berufungsgerichten Richter freisetzen, ist unrealistisch. Die Stärkung der ersten Instanz muß sich gleichsam aus der erheblichen Zahl der am Landgericht tätigen Richter selbst ernähren, die dann nicht mehr im Kammerverbund tätig sind und von denen angesichts der fast viermal so hohen Erledigungszahlen der Amtsgerichte erwartet werden kann, daß sie ihre Erledigungszahlen zumindest verdoppeln können. Erfüllen sich die berechtigten Erwartungen an die Stärkung der ersten Instanz, wird ohnehin die Zahl der Berufungen sinken. Zu erwarten ist dann auch, daß der zur Zeit zum Teil überzogene Widerstand gegen eine Beschränkung der Berufung auf Fehlerkontrolle abnimmt. Schließlich könnte sich die Justiz, zu deren Stärke nicht die kurzfristige Bewältigung von Strukturveränderungen zählt, zunächst auf die Reform der ersten Instanz konzentrieren.

Nicht nur die Darstellung der Dringlichkeit einer Reform der Berufungsinstanz, sondern auch die Kritik an den Gesetzesentwürfen erscheint teilweise überzogen. Die Praxis mancher Berufungskammern zeigt, daß das geltende Zivilprozeßrecht hinreichend Möglichkeiten bietet, eine offensichtlich unbegründete Berufung schnell zurückzuweisen. Beweisaufnahmen bleiben nach geltendem Recht verwertbar; wenn eine Berufungskammer keine neuen Beweise erheben will, tut sie es nicht; über ihr wölbt sich bekanntlich der berühmt-berüchtigte blaue Himmel. Die von der Anwaltschaft sehr in den Vordergrund gestellte Gefahr einer Aufblähung des Sachvortrages in der ersten Instanz erscheint im Hinblick auf die Hinweispflicht des Gerichts (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO) übertrieben. Durchaus berechtigte Bedenken sind aber vor dem Hintergrund der im verwaltungsgerichtlichen Berufungsverfahren in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen gegen den Begriff des „ernstlichen Zweifels“ in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO des Regierungsentwurfs zu erheben. Was die Senate der Oberverwaltungsgerichte sich an bis in die Wahrscheinlichkeitsrechnung hineinreichenden Kunstgriffen geleistet haben, um sich mit Hilfe dieser Zulassungsvoraussetzung Berufungen vom Halse zu schaffen, beschädigt das Ansehen der Justiz insgesamt und läßt den Widerstand gegen eine solche Zulassungsbeschränkung verständlich erscheinen. Zwischen „Zweifel“ und „ernstlichem Zweifel“ unterscheiden zu wollen, läuft in der juristischen Praxis auf rabulistische Haarspalterei hinaus, deren Sinn dem rechtssuchenden Publikum nicht mehr zu vermitteln ist. Entweder hat man – selbstverständlich aufgrund konkreter Anhaltspunkte – Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des erstinstanzlichen Richters – oder man hat sie nicht. Tertium non datur – und deshalb sollte das Wort „ernstliche“ gestrichen werden.

VI. Das OLG sollte mittelfristig das Berufungsgericht sein

Die Konzentration der zivilgerichtlichen Berufungsverfahren beim OLG folgt dem bei der Schaffung der Familiengerichte vorgezeichneten Rechtsmittelweg, der erhebliche Vorteile für die einheitliche Rechtsauslegung hat und ein wichtiger Schritt zum dreistufigen Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist. Der gegen diese Zuständigkeitsverlagerung vor allem in den Flächenländern artikulierte Widerstand nährt sich zu einem erheblichen Teil aus der Ablehnung eben dieser Dreistufigkeit. Man sollte allerdings nicht verkennen, daß schon die unvermeidliche Ausweitung der Einzelrichterquote immer dringlicher die Frage nach dem Sinn zweier Eingangsgerichte stellt und damit auch ein Argument für die Dreistufigkeit liefert. Diese muß kommen und wird kommen, wenn die ordentliche Gerichtsbarkeit effizienter werden soll.

Die Behauptung, die Verlagerung der Berufungszuständigkeit würde einen erheblichen personellen Mehrbedarf bei den Oberlandesgerichten auslösen, ist zumindest übertrieben. Zur Zeit erledigt beim OLG ein Richter nur 74 Verfahren. Zum Vergleich: Die Erledigungszahl in den Berufungskammern der Landgericht liegt bei knapp 200 Sachen je Richter. Ein Unterschied solchen Ausmaßes ist sachlich nicht zu begründen.

Schwer wiegt allerdings der Einwand, daß die in Flächenländern zum Teil sehr großen Entfernungen zum OLG einen erheblichen Verlust an Bürgernähe bedeuten. Es würde in einigen Regionen zwei Stunden und länger dauern, um auf der Straße oder mit der Bahn zum OLG zu gelangen. Die Einrichtung auswärtiger Senate ist deshalb unverzichtbar, kann aber bei der notwendigen Spezialisierung der Senate nur eine Zwischenlösung sein. Die Dreistufigkeit wird die Einrichtung einiger zusätzlicher Oberlandesgerichte notwendig machen. Die Länder dürften nicht in der Lage sein, diese tiefgreifenden Änderungen der Gerichtsstruktur bis zum 01.01.2002 zu bewältigen. Ihnen muß eine Übergangsfrist von mindestens drei Jahren eingeräumt werden.

VII. Flankierende Maßnahmen zur Stärkung der ersten Instanz unverzichtbar

Der personelle Mehrbedarf, der mit der angestrebten Stärkung des Eingangsgerichts verbunden ist, könnte bei den Amtsgerichten teilweise durch die Verlagerung richterlicher Zuständigkeiten im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf die Rechtspfleger gedeckt werden. Der Deutsche Richterbund hat schon vor 35 Jahren die Entlastung der Gerichte in Zivilsachen von Aufgabengebieten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gefordert. Seitdem ist es immer wieder für sinnvoll angesehen worden, den Einsatz der Richterinnen und Richter auf die originäre spruchrichterliche Tätigkeit zu beschränken. Geschehen ist nichts, was vor allem auf ein justizinternes Konkurrenzdenken zwischen Richtern und Rechtspflegern zurückzuführen ist. Noch immer besteht z. B. die Ungereimtheit, daß der im Grundbuchamt tätige Rechtspfleger eine Grundbuchberichtigung auf der Grundlage eines notariell beurkundeten Testaments verfügen darf, die Auslegung eines solchen Testaments aber in der Nachlaßabteilung dem Richter vorbehalten ist.

Der mögliche Einwand, es stünden zu wenig Rechtspfleger zur Verfügung, läßt sich widerlegen, denn die Rechtspfleger könnten wiederum Aufgaben an die Notare abgeben. In der letzten Legislaturperiode ist es gelungen, sich bei den Beratungen des Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der Freiwilligen Geichtsbarkeit fraktionsübergreifend dahin zu verständigen, die mit eidesstattlichen Versicherungen verbundenen Erbscheinsanträge allein den Notaren zuzuweisen. Damit wäre sogar der rechtsstaatliche Gewinn verbunden, daß nicht wie jetzt derjenige, der den Antrag formuliert, auch über ihn entscheidet. Es bleibt zu hoffen, daß diese Einigung jetzt nicht in Vergessenheit gerät und sie im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt wird.

Schließlich muß die Stärkung der ersten Instanz auch im anwaltlichen Gebührenrecht Konsequenzen haben. Wenn die abschließende Bearbeitung des Verfahrens in der Eingangsinstanz Ziel der Reform sein soll, dann steigen auch Zeitaufwand und Verantwortung des erstinstanzlichen Anwalts. Es gibt schon jetzt für seine gebührenrechtliche Benachteiligung gegenüber dem Berufungsanwalt (dieser erhält eine um 30 % höhere Gebühr) keine sachliche Rechtfertigung, denn es ist leichter, auf der Grundlage einer schon stattgefundenen Sachverhaltsermittlung und rechtlichen Würdigung Kritik anzubringen als überhaupt erst ein Klageverfahren vorzubereiten und in Gang zu bringen. In der forensisch tätigen Anwaltschaft findet der hierarchische Aufbau der Justiz seine Entsprechung in der gebührenmäßigen Besserstellung des Rechtsmittelanwalts. Dies ist nicht länger tragbar; die Aufwertung der ersten Instanz verlangt auch eine gebührenmäßige Aufwertung der erstinstanzlichen anwaltlichen Tätigkeit.